Stellungnahme zum Abschlussbericht der „Taskforce Zukunft Profifußball“

Als im Frühjahr 2020 wenige Wochen nach der Unterbrechung der Wettbewerbe im deutschen Fußball die Stimmen nach Weiterführung ebendieser als Geisterspiele laut wurden, war die deutsche Fanlandschaft in einer Position vereint – unabhängig davon, wie die Entscheidung zur Weiterführung ausgeht, der deutsche Profifußball muss aus dieser Krise lernen! Die Probleme, die zutage kamen, waren allzu häufig eben nicht nur pandemiebedingt, sondern die logische Folge einer Entwicklung, die von Fanseite immer wieder kritisiert worden war. Regelmäßig waren diese Stimmen überhört worden, es war beschwichtigt und das „gesunde Wachstum“ der DFL-Vereine gelobt worden. 

Diese Mär war nunmehr nicht mehr zu halten und so gaben sich DFL und DFB demütig und einsichtig. Man brauche die Geisterspiele, werde jedoch das Gesamtsystem auf den Prüfstand stellen. Hierzu berief man medienwirksam die „Taskforce Profifußball“ ein, ein Potpourri aus Menschen aus Politik, Wirtschaft, dem Sport, Personen des öffentlichen Lebens und auch Fans. Von Beginn an wurde von Fanseite die Unverbindlichkeit der möglichen Beschlüsse gerügt. Im Gegensatz zu den Spitzen von DFL und DFB machten Fanvertreter bereits im Vorfeld vielfältige Reformvorschläge. Rund eine halbe Millionen Menschen unterzeichnete die Stellungnahme von „Unser Fußball“, in welcher eine grundsätzliche Abkehr vom bisherigen System gefordert wurde und ein Konglomerat aus verschiedensten Fans arbeitete unter dem Namen „Zukunft Profifußball“ ein detailliertes Gesamtkonzept aus. Letzteres war auch die inhaltliche Basis, die die Fanvertreter in die Taskforce einbrachten. Nunmehr liegt deren Abschlussbericht vor. Grund genug für uns, diesen an unseren grundlegenden Forderungen zu messen.

Unser Fußball – ein fairer Wettbewerb

Die erste Klatsche für die Fans gab es bereits im Vorfeld des Abschlussberichts, als über die Neuverteilung der TV-Gelder im Dezember entschieden wurde. Das Wort „Neuverteilung“ ist hierbei bereits irreführend, denn wirklich neu ist an den Änderungen nichts. Die Schere zwischen Arm und Reich soll kurzfristig minimal verkleinert werden – nur um dann wieder wie gewohnt auseinanderzugehen. Dass der Fokus auch weiterhin auf medialer Vermarktung liegen soll, zeigt sich gleich zu Beginn des Abschlussberichts, wenn es heißt, der Profifußball soll „einer der attraktivsten Medieninhalte Deutschlands mit globaler Ausstrahlung“ sein. Der anschließende Zusatz des „fairen und integren Wettbewerbs“ klingt genauso nett, wie er zunächst inhaltlich leer bleibt.
Denn nach einem nationalen Financial Fairplay, der Neuverteilung zentraler Einnahmen oder der Begrenzung von Investoreneinflüssen, wie sie in der Erklärung „Unser Fußball“ enthalten sind, sucht man im Abschlussbericht lange. Und das, obwohl diese Forderungen von den Fans immer wieder in den Taskforce Runden eingebracht worden sein sollen. Die übrig gebliebenen gefilterten Maßnahmen werden nicht ausreichen, um einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen. Stattdessen setzt man alle Karten auf die europäische Ebene, wo die Größten gerade wieder von der Super League geträumt haben. Dort soll die DFL sich als Vorreiter einsetzten für: 
1) Deckelung von Spielergehältern (unterschiedliche Formen des Salary Cap)
2) Konsequente Umsetzung eines verschärften Financial Fairplay
3) Strengere Reglementierung und Kontrolle des Spielerberaterwesens
4) Etablierung von Clearing-Stellen für Spieler-Transfers und alle betreffenden Zahlungen (u.a. Ablösesummen, Vermittlungsgebühren)
5) Gleichmäßigere Verteilung der UEFA-Gelder an die Clubs
Solche konkreten Punkte hätten der DFL als Aufgaben auf nationaler Ebene ebenfalls alles andere als geschadet. So richtig und begrüßenswert alle diese Punkte sind, sehen wir hier gerade wenig Anzeichen für ein glaubhaftes Engagement in diese Richtung. Stattdessen hat uns wiederum die Debatte um die TV-Gelder gezeigt, dass man versucht hat uns eine Zementierung des Status Quo als progressiven Schritt zu verkaufen.

Unser Fußball – ein gesellschaftliches Vorbild

Betrachten wir den gesamten Abschlussbericht, drängt sich uns der Eindruck auf, dass man sich hier gerne ausgiebig an den niedrig hängenden Früchten bedient hat. Unsere hier vorgebrachten Forderungen sind nämlich keineswegs avantgardistisch, sondern man findet sie wahrscheinlich in jedem halbwegs ordentlichen Ratgeber zur guten Unternehmensführung. Die Vereine wurden sicher auch schon von ihren Sponsoren auf einen gewissen Nachholbedarf in diesem Themenbereich hingewiesen und sind hier ohnehin bereits aktiv. Als ebenso selbstverständlich ist der Passus über die Bindung an die Menschenrechte und das Thema Geschlechtergerechtigkeit einzuordnen. Wenn solche Punkte zu Zielvorstellungen ernannt werden, ist das nicht weniger als die Grundlage gesellschaftlicher Legitimität, aber keinesfalls ein Erfolg. Die mögliche Berücksichtigung des Thema „Nachhaltigkeit“ in zukünftigen Lizensierungsverfahren kann – im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen und nach erfolgter Konkretisierung – ein Schritt in die richtige Richtung sein, die Einrichtung einer Kommission diesbezüglich auch. Entscheidend ist hierbei jedoch die konkrete Umsetzung. Lippenbekenntnisse zum Thema „Nachhaltigkeit“ gab es bereits zur Genüge, auch im Hinblick auf die Entwicklung vor der Corona-Pandemie. Wie ernst der Profifußball das Bekenntnis zur gesellschaftlichen Vorbildrolle wirklich nimmt, wird sich aber dann zeigen, wenn Nachhaltigkeit und sozialverantwortliches Handeln gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen werden. Reisetätigkeiten auf andere Kontinente und an Ausweichspielorte, sowie der ernsthaft gemeinte Vorschlag man könne ja eine Profimannschaft medienwirksam impfen lassen, zeigen zumindest für uns, dass der Profifußball sich nicht so schnell einen Persilschein verdienen wird.

Unser Fußball – demokratisch & wirtschaftlich nachhaltig

Dass die „50+1“-Regel erhalten bleiben soll, ist ein begrüßenswerter Vorschlag, erblasst jedoch sogleich, wenn diesem Fundament demokratischer Mitbestimmung ein einziger Punkt gebührt, während der Fokus auf strategische Investoren gleich drei Punkte ausmacht. Investoren können und dürfen aus unserer Sicht nicht die Antwort auf mangelnden Wettbewerb sein. Den Vorschlag zur Begrenzung der Gehälter von Spielerberatern begrüßen wir ausdrücklich. Warum in dieser Deutlichkeit jedoch nicht auch zur Prüfung nationaler Schritte hin zu einer Gehaltsobergrenze (z.B. in Form einer Luxussteuer) für Spieler aufgefordert wird, erschließt sich uns nicht. Die unter Punkt 4. genannten Zielvorgaben für „nachhaltige strategische Partnerschaften“ bleiben zu unkonkret, als dass diese abschließend bewertet werden können. Der Vorschlag, vor der Saison Freundschaftsspiele gegen kleinere Vereine durchzuführen zeugt jedoch von Unkenntnis ob der aktuellen Situation, sind solche Spiele doch längst gang und gebe. Es ist offensichtlich, dass der deutsche Fußball Regelungen zur Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität benötigt. Es ist nur folgerichtig, dass das DFL Präsidium auf Anregung der Taskforce daher direkt eine Arbeitsgruppe gegründet hat, um diese im Detail auszuarbeiten. Warum man dieses Thema nicht schon vergangenen Sommer angegangen ist, bleibt ein Rätsel.

Unser Fußball – lebt durch seine Fans

Mit den Empfehlungen zu einer neuen DFL-Kommission zum Thema Fandialog und Gütekriterien für Fan-Club-Dialogstrukturen wurden Forderungen der Fan-Initiative ‚Zukunft Profifußball‘ umgesetzt. Doch diese Maßnahmen können nur Verbesserungen bringen, wenn Faninteressern ernst genommen und umgesetzt werden. Eine Beteiligung hilft unabhängig von ihrem Konzept nichts, wenn im Endeffekt keine Änderungen umgesetzt werden. Die Kritik der Fanvertreter:innen am Prozess der Taskforce und die fehlenden Maßnahmen im entscheidenden wirtschaftlichen Bereich machen wenig Hoffnung. Ein Großteil der aktiven Fans hat sich bereits aus den Dialogstrukturen mit den Verbänden zurückgezogen, weil sie deren Sinnlosigkeit mehrfach unter Beweis gestellt sehen. Gerade im Kontext der Diskussionen seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Fans tragfähige Konzepte zur Veränderung vorlegen können. Den Diskurs darüber scheuen die Verbände nie, lediglich entscheiden wollen sie alleine. Wie diese Entscheidungen dann regelmäßig aussehen, zeigte zuletzt der Beschluss über die zukünftige Verteilung der TV-Gelder. 

Der Abschlussbericht der Taskforce zeigt noch einmal auf woran es hapert. Die DFL will nicht ans Eingemachte gehen. Es fehlt nach wie vor der von einer halben Million Fußballfans geforderte Grundsatzbeschluss zur substanziellen Veränderung. Am Ende haben es vor allem Empfehlungen ins Abschlusspapier geschafft, die niemandem wehtun. Einige gute Ideen wurden aufgegriffen, andere scheinen dem diametral entgegengesetzt oder zumindest scheinheilig. Ausweichend wird Verantwortung auf die europäische Ebene abgeschoben. Mit dem Verweis auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit bindet man sich selbst die Hände und erspart sich Debatten um nationale Konzepte für einen faireren Wettbewerb. Viele Fans haben in der „Taskforce“ lediglich ein Feigenblatt gesehen und wurden durch praktische Entscheidungen im Jahr 2020 dahingehend bekräftigt. Andere hatten die Hoffnung auf ernsthafte Reformbereitschaft in der Krise noch nicht aufgegeben und wurden enttäuscht. Wenn die DFL diesen kritischen Stimmen entgegenkommen und ihre Verantwortung für die Zukunft des Profifußballs ernst nehmen will, täte sie gut daran endlich konkrete Reformen hin zu einem basisnahen, nachhaltigen und zeitgemäßen Fußball vorzulegen und umzusetzen. 

Geredet wurde genug, es ist Zeit zu handeln! 

Initiativgruppe Unser Fußball im Februar 2021

Wir verweisen zudem auf die Stellungnahmen der bundesweiten Fanorganisationen, die die Erklärung „Unser Fußball“ unterzeichnet haben:
ProFans: http://www.profans.de/allgemein/buendnis-profans-zum-ergebnisbericht-der-taskforce-zukunft-profifussball-nein-wir-sind-nicht-enttaeuscht-denn-wir-haben-nichts-anderes-erwartet
Unsere Kurve: https://www.unserekurve.de/blog/bewertung-des-abschlussberichts-der-dfl-taskforce/
F_In: https://www.f-in.org/presse/stellungnahme-zur-dfl-taskforce-2021/
BBAG: https://www.bbag-online.de/2021/02/03/pressemitteilung-der-bbag-zum-ergebnisbericht-der-dfl-taskforce-zukunft-profifussball/
und auf die Stellungenahme der Fanvertreter:innen in der Taskforce: https://zukunft-profifussball.de/wp-content/uploads/2021/02/ZPF_Pressemitteilung-Abschluss-DFL-Taskforce.pdf